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Zeitzeuge erzählt an der Theodor-Frank-Schule in Teningen von seiner Flucht vor den Nazis

Felix Rottberger im Gespräch Bild: Hans Lepkojis

Felix Rottberger, heute 89 Jahre alt, beschrieb eindrücklich die Machtergreifung, die ersten Boykottaufrufe und darauf folgende Plünderungen und wie er die Zeit des Krieges überlebt hat.

Nach der freundlichen Begrüßung durch den Schulleiter Thomas Lamp und einem großen Applaus wird es still im Saal, als der mehrfach ausgezeichnete Überlebende Rottberger zu erzählen beginnt. Etwa 200 Besucher hören gespannt zu, wie er davon spricht, dass das Radiogeschäft seines Vaters während der ersten Boykottaufrufe von einem wütenden Mob geplündert wurde und der Vater sich daraufhin an die Polizei wandte. Was heute allen Zuhörern normal erscheint, war damals der Beginn eines scheinbar endlosen und schrecklichen Leidensweges der Familie Rottberger.

Herr Rottberger stellt dem Publikum zunächst seine Großeltern vor, die aus dem heutigen Ungarn stammen. Seine Eltern zieht es aber ins prosperierende Berlin der 30er Jahre, wo der Vater mit dem Verkauf des neuen Mediums Radio erfolgreich wird. Als der Vater nach den Ausschreitungen in seinem Geschäft bei der Polizei Anzeige erstatten will, wird er verhaftet und kommt für mehrere Monate ins berüchtigte Gefängnis in Moabit.

Bei seiner Entlassung ist klar, dass die Familie Deutschland schnellstmöglich verlassen will. Aber nur sehr wenige Staaten erlauben die Einreise von Juden. So landet die Familie schließlich in Island, wo der Vater ein Geschäft mit Lederwaren eröffnet. Aber auch in Island gab es Fremdenfeindlichkeit und Missgunst, was 1938 zu der Ausweisung nach Deutschland führte.
Trotz allem Unglück, erzählt Felix Rottberger, waren immer wieder Menschen bereit, auch unter Gefahren für das eigene Leben, der Familie zu helfen. So steckt das damalige dänische Au-Pair-Mädchen dem Vater kurz vor der Verhaftung eine Adresse und Telefonnummer zu. Falls sie es schaffen sollten beim Rücktransport per Schiff, in Dänemark zu stoppen, so wäre diese Telefonnummer die Lebensversicherung für die Familie.
Was zuerst unmöglich schien, wurde wahr. Durch besonnenes Handeln, schaffen es die Eltern von Felix Rottberger zur Deutschen Botschaft in Koppenhagen und dort an ein Telefon. Tatsächlich übernimmt eine dänische Familie, deren Identität Herrn Rottberger leider bis heute verborgen ist, Bürgschaften für die ganze Familie und so dürfen sich alle frei in Dänemark bewegen. Es folgen 17 Umzüge innerhalb Dänemarks und sogar Monate ohne festen Wohnsitz, aus Angst doch noch verhaftet und in den sicheren Tod geschickt zu werden.

Bei einem Fluchtversuch ins neutrale Schweden werden nachts am Strand die Kinder von ihren Eltern getrennt. Die Eltern setzen mit einem Schiff nach Schweden über und verlieren dadurch für eineinhalb Jahre den Kontakt zu ihren Kindern. Aus Sorge, dass der Versuch, Informationen über den Verbleib der Kinder zu erhalten, deren Leben gefährden könnte, verhalten sich die Eltern in Schweden still.

Allen Erwachsenen im Publikum, allen Eltern, merkt man die Anspannung in diesem Moment an. Es ist mucksmäuschenstill im Saal. Und immer, wenn die Spannung fast zu groß wird, streut Herr Rottberger geschickt eine lustige Anekdote ein. Bei allem Unglück und Leid gab es doch auch schöne oder lustige Momente in seinem Leben. Er bezeichnet sich selbst auch als Felix „den Glücklichen“. Vielleicht war diese Resilienz, nie die Hoffnung zu verlieren, nie aufzugeben, auch wenn der Kampf noch so aussichtslos schien, die Überlebensstrategie, die am Ende zum Überleben der ganzen Familie geführt hat.

Er und seine inzwischen vier Geschwister überleben die restliche Zeit des Krieges unter Mühen und einem hohen Risiko entdeckt und deportiert zu werden, in einem dänischen Waisenhaus, welches als Selbstversorgerhaus auf dem Land wie ein Bauernhof geführt wird.

Herr Rottberger, der fließend Dänisch spricht, ist darum auch heute noch dem Staat Dänemark und seinen Bewohnern, die sich gegen die deutsche Besatzung gesträubt haben, sehr verbunden. Er reist auch heute noch mit seiner Frau im Wohnmobil einmal jährlich dorthin. Überhaupt ist das Reisen mit dem Wohnmobil das Hobby der Familie. Selbst bis nach Israel fuhren die Rottbergers mit dem Reisemobil, erzählt er stolz.

Nach dem Krieg sehnt sich der Vater nach der Sonne und Wärme in Süddeutschland und die inzwischen zehnköpfige Familie wandert zu Fuß von Dänemark durch ganz Deutschland bis an den Bodensee, wo sie eine neue Heimat finden. Dort beginnt Felix Rottbergers beruflicher Werdegang in der Textilindustrie und endet 1999 als Verwalter der jüdischen Gemeinde Südbadens und des jüdischen Friedhofes in Freiburg.

Es war ein spannender, informativer und stellenweise auch lustiger Abend, der dem Publikum vor Augen führen konnte, dass Menschlichkeit unabhängig von Rasse, Religion oder Herkunft gelebt werden kann.

Den Abend schließt Herr Rottberger mit einem dänischen Kinderlied ab, das er vor dem versammelten Saal beherzt anstimmt.

Wer mehr über die Familie Rottberger erfahren möchte, kann das Buch „Felix – der lange Weg in den Frieden: eine jüdische Odyssee“ kaufen oder am 29.11.2025 ins Kino Cinemaja in Emmendingen kommen, wo ein Film über das Leben von Felix Rottberger gezeigt wird.

Text: Marcus Maier

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